Am Sonntag wurde der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland per Abwahlverfahren seines Amtes enthoben. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis haben 129.833 Abstimmungsberechtigte bei der Frage, ob Sauerland sein Amt abgeben soll, mit „ja“ gestimmt. Dass über 85 Prozent der Abstimmungsberechtigten so urteilten, überrascht: Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Ilmenau belegt, dass die meisten Bürger den Hauptschuldigen für die Loveparade-Tragödie 2010, bei der 21 Menschen starben, woanders sehen.
In der Studie des Instituts für Medien und Kommunikationswissenschaft (IfMK) der TU Ilmenau wurden Diskussionsforen in sozialen Netzwerken ausgewertet, in denen sich die Teilnehmer nach dem Loveparade-Unglück äußerten. Danach wurden in rund einem Viertel der Postings die Duisburger Polizei oder die Behörden für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Nur knapp ein Fünftel sah in OB Sauerland den Schuldigen. Als Hauptgrund dafür, dass Sauerland die Verantwortung zugeschrieben werden muss, gaben die Diskussionsteilnehmer die misslungene Krisenkommunikation des inzwischen abgewählten Duisburger Stadtoberhauptes im Rahmen des Techno-Festivals an. Sie wurde durchweg als negativ bewertet. Insbesondere seine anfänglichen Äußerungen, „individuelle Fehler“ hätten die Katastrophe ausgelöst, provozierten wütende Kommentare der Forumteilnehmer. Viele User verstanden dies als Beschuldigung der Loveparade-Besucher selbst. Auch die späteren Versuche Sauerlands, die eigene Verantwortlichkeit abzustreiten, stießen auf breite Ablehnung.
Die wenigsten expliziten Schuldzuschreibungen für das Loveparade-Unglück entfielen auf den Veranstalter Lopavent und dessen Geschäftsführer Rainer Schaller. Dr. Andreas Schwarz, Autor der Studie und Geschäftsführer der Internationalen Forschungsgruppe Krisenkommunikation: „Angesichts des langen Schweigens von Schaller nach dem Unglück und seiner mangelnden Kommunikation mit der Öffentlichkeit im Internet überrascht uns das.“
Insgesamt hat die Analyse des Fachgebiets Medienwissenschaft der TU Ilmenau gezeigt, dass sich das gegenseitige Zuschieben der Schuld für die Verantwortlichen nicht ausgezahlt hat. Alle Beteiligten – Oberbürgermeister Sauerland, Veranstalter, Behörden und Polizei – wurden in der Öffentlichkeit der Social Media als Mitverursacher der Katastrophe wahrgenommen. Hauptthema in den analysierten Diskussionsforen waren aber, noch vor der Frage nach Schuld und Ursachen, Beileidsbekundungen für die Opfer.
Eine Untersuchung der Social-Media-Resonanz der Krise in Diskussionsforen erscheint in Kürze in der internationalen Fachzeitschrift Public Relations Review (peer reviewed). Eine Analyse des strategischen Kommunikationsmanagements der Organisatoren wird 2012 in einem englischsprachigen Sammelband publiziert (Routledge-Verlag), in dem international führende Krisenkommunikationsforscher Krisenfälle rund um den Globus behandeln. Die Fallstudie zur Loveparade wird kommentiert und eingeordnet von Brigitte Kaltwasser, Inhaberin von Kaltwasser Kommunikation in Nürnberg, die seit mehr als zehn Jahren mit dem IfMK kooperiert.
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